„Der unbekannte Verbleib von Altfahrzeugen ist seit Jahrzehnten auf hohem Niveau, Politik und Behörden sind nach wie vor untätig.“ Das deutsche Umweltbundesamt hat in einem wissenschaftlichen Papier auf diese Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht und einige hilfreiche Lösungsansätze vorgeschlagen.
Immerhin 6 Mio. Altfahrzeuge werden jährlich in der EU in 13.000 Behandlungsanlagen demontiert und verwertet, der Verbleib von weiteren 3,4-4,7 Mio. Altfahrzeugen ist jedoch unklar. „Wir müssen davon ausgehen, dass der europäischen Industrie mehr als 4 Mio. T onnen an wertvollen Rohstoffen verloren gehen. Die Anlagenkapazitäten in der EU sind definitiv nicht ausgelastet, wir brauchen dringend politische Unterstützung,“ sagte Födinger weiter.
Der Umweltschaden ist gemäß Erhebung der Autorenschaft und auf der Basis früherer Studien immens. Durch nicht ordnungsgemäße und fachgerechte Entsorgung von Altfahrzeugen werden jährlich zwischen 20 und 55 Mio. Liter an gefährlichen Flüssigkeiten unsachgemäß in die Umwelt entlassen; allein in 2017 wurden infolge illegaler Zerlegung von Altfahrzeugen etwa 630 t Kältemittel freigesetzt und damit ozonschichtschädigende Emissionen in Höhe von etwa 900.000 CO2-Äquivalenten verursacht. Zudem entsteht den Mitgliedstaaten ein immenser steuerlicher Schaden, wenn die Altfahrzeugbehandlung in nicht genehmigten Anlagen stattfindet.
Zur Verbesserung der aktuellen Situation werden zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, die von der österreichischen Recyclingwirtschaft vollumfänglich unterstützt werden. Insbesondere der Vorschlag einer verpflichtenden Deregistrierung – im Unterschied zu temporären Stilllegung, gekoppelt an den Nachweis einer Verwertung, kann europaweit zu einer deutlichen Verbesserung der Nachverfolgung von Altfahrzeugen führen. „In Zeiten zunehmender Digitalisierung ist es höchste Zeit, ein harmonisiertes elektronisches An- und Abmeldesystem in der EU zu haben,“ sagte Födinger. „Auch der innereuropäische Datenaustausch über den Verbleib von Altfahrzeugen sowie die An- und Abmeldung sollte auf dieser Grundlage möglich sein.“
In den genannten Studien wurde ermittelt, dass die Einführung finanzieller Anreize bei der Rücknahme und Demontage von Altfahrzeugen – derzeitige Praxis in einzelnen Mitgliedstaaten (z.B. Niederlande) – zu einem erheblichen Rückgang illegaler Exporte aus der EU sorgt.
Vollzugs- und Überwachungsprobleme sind in allen Mitgliedstaaten bekannt, das liegt auch an der schwierigen Abgrenzung der Begriffe „Gebrauchtwagen“ und Altfahrzeug“. Liegt ein Gebrauchtwagen vor, ist das Abfallrecht nicht anzuwenden und beim Export aus der EU sind keine abfallrechtlichen Genehmigungen notwendig. Österreich geht hier bereits einen erfolgreichen Sonderweg. Seit einigen Jahren existiert die sogenannte „Reparaturbescheinigung“, diese beweist praktisch das Vorliegen eines Gebrauchtwagens. In 2015 wurde in einer höchstinstanzlichen Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes über die Abgrenzung eines Gebrauchtwagens und eines Altfahrzeugs – letzteres ist als Abfall einzustufen – befunden.
Damals wurden drei wesentliche Parameter identifiziert, die letztendlich darüber entscheiden sollen, ob Abfall vorliegt oder nicht: Zulassungsfähigkeit, Betriebsbereitschaft und bestimmungsgemäßer Gebrauch. Dies wurde in ordnungsrechtliche Maßnahmen umgesetzt. Liegt also keine Reparaturbescheinigung vor, ist der Export dieses „Altfahrzeugs“ ohne vorherige behördliche Genehmigung nicht möglich. „Die behördliche Beschlagnahme eines Altfahrzeugs ohne Reparaturbescheinigung ist juristisch jedoch nicht einfach, muss deshalb im Einzelfall in den Mitgliedstaaten rechtlich angepasst werden und auch in Österreich läuft es noch nicht optimal,“ sagte Walter Kletzmayr, Geschäftsführer des österreichischen Shredderverbandes. „Das österreichische System sollte trotzdem Schule machen und kann zukünftig bei der Etablierung eines digitalisierten Registrierungs- und Deregistrierungssystems für die gesamte EU als Vorbild wirken.“
Die EU-Kommission wird deshalb aufgefordert, sich bei der Revision der Altfahrzeugrichtlinie (2000/53/EG) schnellstmöglich mit diesen Vorschlägen auseinander zu setzen. „Ressourceneffizienz und Klimaschutz sind wichtige Ziele zur Umsetzung des europäischen Green Deal. Und gerade unter den Auswirkungen der Coronakrise sollten wir die Arbeitsplätze in der Recyclingindustrie nicht aus den Augen verlieren,“ fordert Födinger.